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Emil Cimiotti - Das plastische und zeichnerische Werk Emil Cimiotti “Monografie”, Kehrer Verlag, 2005
Im Jahre 1967 erschien in Frankfurt am Main der Band „Der doppelte Maßstab“, eine Sammlung von Kunstkritiken aus der Feder von John Anthony Thwaites. Der aus London gebürtige Thwaites war 1945 als britischer Konsul nach München gekommen, hatte 1949 den Dienst quittiert und sich fortan als Kunstkritiker und freier Autor betätigt. 1 Er wurde einer der besten Kenner der jungen Kunstszene und einer der bedeutendsten Kritiker seiner Zeit. Für sein Buch „Der doppelte Maßstab“ verfaßte Thwaites ein Resümee, in dem er die Entwicklung der Kunst in Westdeutschland von 1955 bis 1966 Revue passieren ließ. Darin heißt es über Emil Cimiotti: „Seine Formen wachsen aus dem Vorgang des Modellieren [sic] wie beim Maler aus dem Malprozeß. Es sind amorphe Gruppen, Traumpflanzen, ambivalente Figuren. Kricke und Cimiotti bilden sozusagen die notwendigen Gegenpole. Der eine verkörpert dle Energien und den Raumzeit-Begriff der Epoche, der andere das organische Wachstum und die Verbindung mit dem Unterbewußtsein, was nicht weniger dazu gehört. Zusammen sind sie die einzigen reifen Bildhauer von internationalem Rang, die Deutschland vorzuweisen hat.“ 2 In der Tat hatte Emil Cimiottis Kunst Anfang der 1960er Jahre einen ersten Höhepunkt erreicht und, nach anfänglicher heftiger Ablehnung durch die Kunstkritik, zunehmend Anerkennung im ln- und Ausland gefunden: 1958 und 1960 war der Künstler auf der Biennale in Venedig vertreten, 1959 und 1963 auf der documenta in Kassel. In Publikationen und Ausstellungen, unter anderem in Frankreich, Holland, Schweden, der Schweiz, den USA, Kanada und Brasilien, wurde Cimiottis Beitrag zur informellen Plastik gewürdigt. Als einziger Künstler erhielt er den renommierten Kunstpreis „junger westen“ gleich zwei Mal - einmal für Bildhauerei (1957), das andere Mal für Handzeichnung (1959). 1959 ging Cimiotti als Stipendiat der Villa Massimo nach Rom. Bedeutende Museen und Privatsammlungen erwarben seine Werke. 1963 erhielt der Künstler einen Ruf auf einen Lehrstuhl für Bildhauerei an der neugegründeten Hochschule für Bildende Künste in Braunschweig und beteiligte sich von da an intensiv am Wiederaufbau des kulturellen Lebens in Niedersachsen. lm vorliegenden Beitrag möchte ich die Entwicklung des künstlerischen Œuvre von Emil Cimiotti skizzieren, das mittlerweile fünf Jahrzehnte umspannt, von den Anfängen über die Reife zum „Bildhauer von internationalem Rang“ bis hin zum Spätwerk und in die unmittelbare Gegenwart. Im Gegensatz zu den bisherigen kunsthistorischen und kunstkritischen Texten über Cimiotti werde ich die Bereiche Plastik und Zeichnung nicht getrennt voneinander behandeln, sondern jeweils in synchronen Schnitten die Entwicklung in beiden Medien untersuchen, um die Korrespondenzen, aber auch die Divergenzen deutlicher zutage treten zu lassen. Schließlich gilt es, die Perspektive zu erweitern und die Kunst Emil Cimiottis in den Kontext der allgemeinen künstlerischen Entwicklungen nach 1945 zu stellen, sie also ästhetisch und kunsthistorisch zu verorten.
Die Anfänge: Stuttgart, Berlin, Paris - und wieder Stuttgart Nach dem Krieg absolvierte Cimiotti zunächst eine Lehre als Steinmetz in seiner Geburtsstadt Göttingen, bevor er 1949 das Studium der Bildhauerei an der Staatlichen Kunstakademie Stuttgart bei Otto Baum und Karl Hils aufnahm. Mit Willi Baumeister, der an der Kunstakademie Stuttgart Malerei lehrte, stand Cimiotti in regem Austausch. 1951 folgte eine kurze Studienphase bei Karl Hartung in Berlin und ein einsemestriger Studienaufenthalt bei Ossip Zadkine in Paris. lm Herbst 1951 kehrt Cimiotti an die Stuttgarter Akademie zurück, wo er das Studium 1954 abschließt. Aus der Studienzeit Emil Cimiottis haben sich keine Werke erhalten. Zu Beginn seiner bildhauerischen Arbeit schuf der Künstler naturnahe, gegenständliche Plastiken, zumeist Porträts und eine Aktfigur. Hierzu gehört das 1949 in Zementguß gefertigte Porträt Brigitte H. (in der Monografie mit Abb. unten links, hier ohne Abb.). „ln dieser noch ganz figurativen und mit ihrer inneren Konzentration entfernt an frühe Arbeiten Wilhelm Lehmbrucks erinnernden Plastik wird die Tendenz zur Verknappung und Formvereinfachung spürbar. Zugleich erlaubte die relativ unruhige Oberflächenstruktur das freie Spiel von Licht und Schatten, das im späteren, reifen Werk Cimiottis zu einem essentiellen Anliegen des Künstlers werden sollte. 3 Bereits nach einem Jahr wandte sich der damals 23 jährige Künstler der Abstraktion zu, wie Photographien von vier 1950 bzw. 1951 entstandenen Studien aus Gips bzw. Holz und Stahl im Archiv Cimiottis belegen, die hier erstmals veröffentlicht werden (in der Monografie mit Abb. S.7, 18, hier ohne Abb.). 4 Diese Arbeiten zeichnen sich durch geschlossene, organoide Formen, geglättete Oberflächen und Zweiteiligkeit aus, das heißt die Volumina sind auf zwei nebeneinander oder übereinander angeordnete Zonen verteilt. Eine dieser formalen Studien (in der Monografie mit Abb. S. 18, hier ohne Abb.) beschreibt Eduard Trier in seiner 1961 in der Reihe „Junge Künstler“ erschienenen Cimiotti-Monographie: „eine Gruppe von drei oblongen, gerundeten, dicht zusammenstehenden Körpern, über denen auf dünnen, kaum wahrnehmbaren Stangen drei ähnliche, schlankere Körper in derselben Gruppierung schweben. Das Faktum des „Tragens“ ist zwar nicht zu leugnen, wird aber optisch als „Schweben“ gedeutet. Was mir dabei als wesentlich und fundamental vorkommt, ist das equilibristische Spiel mit zwei korrespondierenden Massenvolumina - die Überwindung der Schwerkraft an sich, wie sie auch in der utopischen Architektur [...] beobachtet werden kann, oder in bildhauerischen Begriffen ausgedrückt: der Kampf mit dem Sockel. Cimiotti versucht, mit konkret-materiellen und räumlich-immateriellen Formen zu neuen plastischen Fakten zu gelangen.“ 5 Zu Recht erkennt Eduard Trier hierin ein Leitmotiv in Cimiottis Schaffen. Auf dem Wege der Stilfindung sind es weniger die Lehrer in Deutschland, die Cimiotti beeinflussen und prägen, als vielmehr die in Paris tätigen Bildhauer der internationalen Avantgarde. In seinen Stuttgarter Tagebuchnotizen aus dem Jahr 1949 schreibt Cimiotti: „lm ersten Semester an der Kunstakademie. Der Professor unserer Vorklasse bringt uns Kopien von Antiken, wir sollen nach den Gipsen modellieren. lch denke nicht daran. Eine kleine Broschüre über französische Skulptur fällt mir in die Hände. Drei ungewöhnliche Arbeiten beunruhigen mich. Die Namen der Bildhauer: Brancusi, Giacometti, Laurens. lch spüre: das ist Plastik! lch will so bald als möglich nach Paris.“ 6 Der Wunsch sollte bald in Erfüllung gehen. 1951, Cimiotti ist mittlerweile an die Berliner Hochschule für Bildende Künste gewechselt, ermöglicht ihm ein Stipendium der Studienstiftung des deutschen Volkes einen mehrmonatigen Aufenthalt in Paris. In der französischen Metropole, damals Zentrum der aktuellen Kunstentwicklung und Treffpunkt von Künstlern aus aller Welt, schreibt sich der junge Deutsche an der privaten Académie de la Grande Chaumière bei Ossip Zadkine ein. Doch dessen Plastiken interessieren Cimiotti, wie er in seinem Tagebuch festhält, wenig. Fasziniert ist er dagegen von Constantin Brancusi, Alberto Giacometti und Henri Laurens, drei bedeutenden Wegbereitern der modernen Skulptur. Gemeinsam mit seinen Künstlerkollegen Otto Herbert Hajek und Klaus Jürgen Fischer besucht Cimiotti den 75jährigen Brancusi in dessen legendärem Atelier in der Impasse Ronsin. 7 Giacometti und Laurens begegnet er zwar nicht persönlich, studiert aber intensiv ihre Werke. Deren Sinnlichkeit und Wärme machen einen nachhaltigen Eindruck auf ihn. lm Musèe National d'Art Moderne sieht Cimiotti mehrfach die bis dahin umfassendste Laurens-Retrospektlve: „Die neueren, manchmal fast geschmeidigen Bronzen haben nur ein Grundthema: die rhythmische Inszenierung der Volumen. [...] Manchmal fangen in diesen Figuren Einzelformen fast an zu flattern: das interessiert mich unmittelbar. Von hier aus müßte ein ganz neuer Ansatz von Plastik möglich sein, wie man sie noch nie gesehen hat.“ 8 An Laurens‘ Bronze L'Adieu aus dem Jahr 1940, die auf seinem Grab auf dem Friedhof Montparnasse steht, begreift der junge Cimiotti, wie er 1972 rückblickend in seinem Tagebuch notiert, „was eine Plastik ist - jenseits aller Themen und ganz unspektakulär. Bloße Volumen, die sich im Raum behaupten“ 9 Paris, wo er sich „vollsaugt wie ein Schwamm“ 10 wird Cimiottis Schlüsselerlebnis. Nach seiner Rückkehr nach Stuttgart vernichtet er seine bisherigen Arbeiten und beginnt 1954 mit neu konzipierten Wachsplastiken, die ab 1955 in Bronze gegossen werden. Dabei schwebt Cimiotti, wie er es in Paris formuliert hatte, „ein ganz neuer Ansatz von Plastik [vor], wie man sie noch nie gesehen hat“. An die Stelle des geschlossenen, statischen (menschlichen) Körpers und der kompakten Volumina der traditionellen Bildhauerei treten frei erfundene, offene, rhythmisierte räumliche Strukturen, die Spuren ihres manuellen und technischen Entstehungsprozesses tragen, naturhaft-organisch anmuten und auf eine in der Kunstgeschichte neuartige Weise das plastische Potential von Binnen- und Zwischenräumen erkunden, Innen- und Außenraum verbinden.
Das Wachsausschmelzverfahren Die Ausprägung und Entwicklung von Cimiottis ureigener Formensprache ist eng verknüpft mit dem Wachsausschmelzverfahren. Seit 1955 verwendet Emil Cimiotti in der Plastik dieses uralte, heute kaum noch praktizierte Verfahren, das ihm Gießermeister Herbert Heinzel von der Stuttgarter Akademie nahegebracht hatte. Hierbei formt der Künstler zunächst aus erwärmtem Bienenwachs, dem zur Stabilisierung Kolophonium und Paraffin beigemischt ist, ein Modell, das bei größeren Formaten zusätzlich innen von Metallstäben gestützt wird. Dieses Modell wird in der Gießerei mit einer dicken feuerfesten Schicht eines Breis aus gemahlenem Schamott und Gips ummantelt, die beim Trocknen aushärtet. Die Form wird nun erhitzt, so daß das Wachs darin flüssig wird und über Kanäle austritt (cire perdu = verlorenes Wachs). In die so gewonnene Negativform wird nun die glühende, flüssige, je nach Legierung heller oder dunkler getönte Bronze eingegossen. lst die Bronze abgekühlt, wird die Schamottummantelung zerschlagen. Das Werkstück, der Rohguß, liegt nun frei und wird von Cimiotti - im Gegensatz zu anderen Künstlern, die mit dieser Technik arbeiten - weitgehend in seinem Urzustand belassen, worauf die Bezeichnung „gußrauh“ hinweist. Bei dem Wachsausschmelzverfahren gehen also sowohl das Wachsmodell als auch die Ummantelung, die eigentliche Gußform, verloren. Folglich sind die auf diese Weise gewonnenen Plastiken stets Unikate. Das Wachsausschmelzverfahren ermöglicht es, den Arbeitsprozeß, also die Spuren des Spachtels und der formenden Hand bis hin zu Abdrücken von einzelnen Fingern oder auch von Textilien, festzuhalten und dadurch eine Handschriftlichkeit zu fixieren, die der Malerei des lnformel verwandt ist. Dies betont auch Dieter Blume: „Der Vorgang des Modellierens, das Durchscheinen textiler Strukturen, das Aufschmelzen neuer Schichten und Wachsbahnen, das Stehenlassen von Schlieren, Finger- und Spachtelspuren, die nicht geglätteten kleinen Wachsklümpchen auf den Oberflächen bleiben als wichtiges formales Element sichtbar. Die Plastiken gewinnen an Stofflichkeit und Spontaneität. Sie zeigen eine „Handschrift“, die der gestischen Materialmalerei des Informel verwandt ist. (Fautrier, Michaux und Emil Schumacher werden von Cimiotti in den 50er Jahren als Weggenossen betrachtet.) 11 Charakteristisch sind die sehr differenzierten, rauhen, spröden, körnigen, schrundigen, wie verkrustet wirkenden Oberflächen mit unzähligen kleinen „Buckeln und Höhlungen“ (Auguste Rodin), die ein reiches Licht-Schatten-Spiel erzeugen. Wichtig ist, daß am Anfang des Werkprozesses stets das mit den Händen geformte Modell steht. Wir sprechen deswegen im engeren Sinne von Plastiken (abgeleitet von griechisch plassein = bilden, formen) und nicht von Skulpturen (von lateinisch sculpere = schneiden, schnitzen). Plastiken entstehen durch Hinzufügen bzw. Addition von Material, meist Ton oder Wachs, Skulpturen durch Abtragen bzw. Subtraktion des Werkstoffes, meist Stein oder Holz. 12
1955: Beginn der informellen Plastiken Emil Cimiottis Werkverzeichnis beginnt mit zwei 1955 und 1956 datierten, „Familiengruppe I“ und „Familiengruppe ll“ betitelten, nur 36 bzw. 48 cm hohen Bronzeplastiken (in der Monografie mit Abb. Nrn. 1,2, hier ohne Abb.). 13 Dem in der Nachkriegsplastik nicht ungewöhnlichen Thema gewinnt der junge Künstler durchaus ungewöhnliche formale Lösungen ab: An die Stelle blockhaft geschlossener Körper treten schmale, vertikal aufstrebende Wüllste, die eine drei- bzw. vierteilige Figurenformation bilden und sich in der mittleren und oberen Zone durch Querverstrebungen zu einer Art offenem Gitterwerk räumlich verschränken. Die gestreckten Körper erscheinen einerseits anthropomorph, haben indes andererseits keinen Bezug zu menschlichen Proportionen. In der Öffnung der plastischen Masse und des Umrisses und der Durchdringung von Innen- und Außenraum manifestiert sich eine neuartige Raumauffassung in der Plastik. Sie findet eine konsequente Weiterentwicklung in der Plastik „Sirenen“ von 1956/57 (in der Monografie mit Abb. Nr. 4, hier ohne Abb.), die Eberhard Roters zu Recht als “erste vollgültige Strukturplastik im Werk Cimiottis“ 14 bezeichnet hat. Die festen Wüllste sind einer amorphen Masse gewichen, einem filigranen, vielfach durchbrochenen, oben ausladenden Gebilde, das, nur an wenigen Punkten auf einem Sokkel aufsitzend, fragil, leicht und beweglich wirkt. Auch diese Plastik läßt sich als ineinander verwobene Figurengruppe lesen - ein Thema, das den Künstler in den Jahren 1956 bis 1958 immer wieder beschäftigte (in der Monografie Nrn. 10-15, hier ohne Abb.) -, zumal ihr Titel einen entsprechenden Hinweis enthält. Sirenen sind Fabelwesen der griechischen Mythologie, in der Überlieferung Homers Schwestern, die, auf einer lnsel im Tyrrhenischen Meer beheimatet, durch unwiderstehlichen Gesang vorüberfahrende Seeleute anlocken, um sie zu töten. Als „grundlegende Erfindung“ Emil Cimiottis hat Eberhard Roters „die Auffaltung der Oberfläche zu einem Vielfachen ihres sonstigen Umfangs unter Preisgabe des massiven Substanzvolumens“ bezeichnet. 15 Damit einher geht die Entdeckung und Erkundung der „Zwischenräumlichkeit […] als aktive Formkraft im plastischen Gestalten“. 16 Damit sind die Charakteristika und künstlerischen Hauptthemen Cimiottis in der Plastik der 50er Jahre benannt. Cimiottis bildhauerisches und zeichnerisches Frühwerk wird dem lnformel zugerechnet. 17 Der Künstler selbst notierte dazu rückblickend im Januar 1983: „Als man zu Beginn der zweiten Hälfte der 50er Jahre die Begriffe Tachismus, lnformel usw. erfand, um die neuen Tendenzen zu kennzeichnen, und meine Arbeiten dort eingeordnet wurden, habe ich immer nur bedingt zugestimmt. Dennoch liegen dort weit eher meine Wurzeln, als in einer figürlichen Bildhauerei, der man mich neuerdings gelegentlich zuordnet.“ 18 Künstler des lnformel spielten lm persönlichen und künstlerischen Umfeld Cimiottis eine wichtige Rolle und erhielten umgekehrt Impulse von ihm. So stellte er häufig als Gast der Künstlervereinigungen „junger westen“ in Recklinghausen (zu deren Mitgliedern Emil Schumacher zählte) und der „Gruppe 53“ in Düsseldorf (zu der Peter Brüning und Gerhard Hoehme gehörten) aus und 1958 gemeinsam mit Gerhard Hoehme in der Galerie van de Loo in München, einer der wichtigsten Galerien des Informel. Beim lnformel - das seine geistes- und kunstgeschichtlichen Quellen unter anderem im Surrealismus hat, der auch für Cimiotti bedeutsam ist - handelt es sich nicht um einen Stil. Vielmehr charakterisiert der Begriff eine künstlerische Haltung, die die geometrische Abstraktion ebenso wie das klassische Form- und Kompositionsprinzip ablehnt und statt dessen eine weitgehend gegenstandsfreie, offene und prozessuale Bildform anstrebt. 19 Der Begriff Informel wurde 1951 von dem französischen Kritiker Michel Tapié im Hinblick auf bestimmte Phänomene in der aktuellen Malerei geprägt. Tapié zeigte im November 1951 im Pariser Studio Paul Facchetti die Ausstellung „Les Signifiants de I’Informel“, an der Jean Fautrier, Jean Dubuffet, Georges Mathieu, Henri Michaux, Jean-Paul Riopelle und Jaroslav Serpan beteiligt waren. Ende 1952 veröffentlichte Tapié die Programmschrift des lnformel unter dem Titel „Un art autre, où il s'agit de nouveaux dévidages du réel“. Der Terminus „lnformeIle Plastik“ wurde erst 1974 durch Eduard Trier eingeführt und hat sich seither in der Literatur etabliert, wenn auch weitgehend Einigkeit darüber besteht, daß man ihn nur bedingt und mit Einschränkungen verwenden kann. 20 Auf dieses Problem machte schon Hans Wille 1966 in seiner Cimiotti-Monographie aufmerksam: „Wobei einschränkend zu sagen ist, daß sich die Bildhauerei schon aus äußeren Gründen nicht im gleichen Maße der informellen Methode und ihrer unkontrollierten Zufälle bedienen kann wie der Tachismus und das „action painting“. Man kann eine Zeichnung, auch wohl ein Gemälde, in schnellem spontanem Anlauf als Psychogramm auf die Fläche setzen und damit ein gutes Werk zustande bringen. Der Aufbau einer Skulptur braucht Zeit. Das Material ist eigenwillig, es bietet Widerstand und verhindert die allzu rasche Arbeit.“ 21 Eine Verwandtschaft mit dem lnformel sehe ich bei Cimiotti in zweifacher Hinsicht: im Morphologischen und in der Offenheit der Werke im Produktions- und Rezeptionsprozeß. Kennzeichen der informellen Malerei, etwa eines Emil Schumacher oder eines Gerhard Hoehme, wie auch der Oberflächen von Cimiottis Plastiken ist, wie oben im Abschnitt über das Wachsausschmelzverfahren beschrieben, ihre „Handschriftlichkeit“, also ihre Stofflichkeit und reiche Texturierung. Eine weitere Verbindung liegt darin, daß der Schaffensprozeß im Hinblick auf das bildnerische Endresultat offen ist. Auch wenn Cimiotti seine Einfälle und Ideen für Plastiken in kleinen Werkskizzen festhält, so entsteht die endgültige Form erst allmählich im Arbeitsprozeß am Wachsmodell, also ungeplant, spontan, intuitiv. Dabei ist die Ratio keineswegs ausgeschlossen: „Meine Plastiken sind keine Kraftakte: sie entstehen ganz spontan und in geduldiger Arbeit, sie sind kühl kalkuliert und nahezu trancehaft gesetzt. Wer glaubt, eines schlösse das andere aus, irrt. Er glaubt an die Logik von Worten“ 22 Der Offenheit des Schaffensprozesses entspricht auf der Rezipientenseite die inhaltliche Vieldeutbarkeit von Cimiottis Werken, auf die ich weiter unten noch eingehen werde.
Werkskizzen und (informelle) Zeichnungen „Für Themen, die ich plastisch bearbeitet habe, finde ich meistens auch zeichnerische Lösungen. Für Themen, die ich gezeichnet habe, gibt es aber durchaus nicht immer plastische Parallelen: es geht also nie um Ableitung oder Umsetzung. Räumliche Vorstellungen wollen autonom erfunden sein“ 23 Von Anfang an gehen Plastik und Zeichnung im Œuvre Emil Cimiottis Hand in Hand. Grundsätzlich sind zwei Arten von Zeichnungen zu unterscheiden: die Werkskizzen und die autonomen Zeichnungen. Die Werkskizzen sind kleinformatige, zügig aufs Papier geschriebene Notizen, die beiläufig und in großer Anzahl entstehen und ldeen für Plastiken fest halten: „Meine Skizzen, das sind: Notizen, handspannengroße Zeichnungen von räumlichen Vorstellungen, ldeen zu Plastiken oder zu plastischen Details, Aufzeichnungen alles dessen, was mir zu meiner plastischen Arbeit durch den Kopf geht. [...] Solche Werkskizzen entstehen in großer Zahl. In Stößen liegen sie im Atelier zwischen den Werkzeugen, sind mir immer vor Augen und werden ergänzt, solange ich noch im Kopf an der neuen Plastik arbeite. Sie sind der Sauerteig zu meinen Arbeiten, mein ldeenreservoir. Sobald ich mit der Ausführung der Plastik beginne, sobald das Objekt vor mir auf dem Modellierblock Konturen zeigt, sehe ich jedoch die Blätter nicht mehr an. Ich brauche sie nicht mehr.“ 24 Wichtig ist, daß die Werkskizzen nie direkt in Plastiken umgesetzt werden, sondern immer nur den Ausgangspunkt des plastischen Formfindungsprozesses bilden, der, hat das Arbeiten in und mit dem Wachs einmal begonnen, seinen eigenen Gesetzen gehorcht. lm Gegensatz zu den Werkskizzen sind die übrigen Zeichnungen autonome, das heißt vom Naturvorbild wie auch vom bildhauerischen Schaffen unabhängige, gleichwohl künstlerisch mit letzterem korrespondierende und aus denselben Formimpulsen entstehende Werke: „Nie zeichne ich nach der Natur, nie nach Gegenständen oder gar nach Fotos. Immer geht es mir beim Zeichnen um Vorstellung, um Erfindung“ 25 Daß „Strukturen“ der Schlüsselbegriff auch für die Zeichnungen Cimiottis ist, verdeutlicht der Blick auf die frühen informellen Blätter aus der zweiten Hälfte der 1950er Jahre wie etwa „Skamander“ (in der Monografie Nr. 172, hier ohne Abb.), eine großformatige lavierte Tuschfederzeichnung von 1957. Der weiße Fond des Kartons, der an vielen Stellen durchscheint, und die schwarze Tusche bilden ein flächiges, dynamisches Gewebe aus hellen und dunklen Partien, eine die ganze Bildfläche überziehende, wie ein Ausschnitt aus einem größeren Kontinuum wirkende all-over-Struktur. Die Linienbündel verdichten sich stellenweise zu Flecken und Wirbeln, Lavierungen 26 verwischen die Konturen. Die Zeichnung ist nach Homers Epos Ilias benannt. Dort berichtet Homer von einer Schlacht, in die die Götter wie nie zuvor eingriffen und Achill mit dem Gott des Flusses Skamander kämpfte. 1957 und 1958 schuf Cimiotti eine Reihe von ebenfalls großformatigen Zeichnungen mit dem Titel Figurengruppe (in der Monografie Nrn. 173-178, hier ohne Abb.). In ihnen verwandte der Künstler den Graphitstift, „dessen weiche Tonigkeit die unterschiedlichsten Wirkungen ermöglicht. Bei starkem Aufdruck entsteht ein breiter, tief und fett glänzender Strich. Bei geringem Druck gibt der Stift nur so viel Farbe her, wie die hohen Stellen des rauhen Zeichenpapiers abraspeln. Die Täler bleiben weiß. Es entsteht ein weicher, toniger Auftrag, der der Lithographie ähnlich ist. Zwischen diesen beiden Extremen bietet der Stift ungezählte Möglichkeiten, deren gemeinsame Benutzung zusammen mit der unterschiedlichen Verwendung der Linie und der breit zugestrichenen Fläche eine reiche Skala struktureller Wirkungen bereithält.“ 27 Auch die Figurengruppen-Zeichnungen mit ihren formal in sich verfestigten Figurationen sind, trotz ihrer ohne Zweifel großen Nähe zu den zeitlich parallelen Plastiken gleichen Titels, keine Bildhauerzeichnungen im klassischen Sinne, also keine die Ausführung der bildhauerischen Arbeiten möglichst präzise vorbereitenden Entwurfsstudien: „Nie sind meine Zeichnungen Vorstufen zu Plastiken, aber immer gibt es Parallelen zur plastischen Arbeit. Das spürt man am deutlichsten vielleicht in der Behandlung der Oberflächen, in der gleichen Vorliebe für Durchlässigkeit und Luftigkeit, in der gleichen Behutsamkeit und Spontaneität der Herausbildung der „Haut“ 28 Umgekehrt zeichnet Cimiotti auch keine fertigen Plastiken ab. In beiden Gattungen, mit den ihnen jeweils zugehörigen Mitteln, beschäftigt sich der Künstler mit denselben Körper- und Raumproblemen - Öffnung und Dynamisierung der Masse, Erkundung der „Zwischenräumlichkeit“.
1959: Rom Ein Stipendium ermöglicht Emil Cimiotti 1959 einen neunmonatigen Aufenthalt an der Villa Massimo in Rom. Die Titel der dort entstehenden Arbeiten verweisen auf Landschaftliches wie Berge, Vulkane, Wälder, Wolken. lnseln, Felsen und Bäume. Als neues formales Element haben diese Plastiken nun häufig eine Plinthe, also eine Bodenplatte, welche wie die übrigen Bestandteile modelliert ist und auf der die Formen auf dünnen Stegen gleichsam emporwachsen. Ein charakteristisches Beispiel ist das im Museum Ludwig in Köln befindliche Werk „Inselbewohner oder anderes“ (in der Monografie mit Abb. Nr. 19, hier ohne Abb.). Darin scheinen lamellenartige bewegte, dicht gedrängte Gestalten über dem Grund zu schweben. Die Plastik bezieht ihre Spannung aus dem Gegensatz von oben und unten, aus dem Wechselspiel von Stehen und Schweben, Leichtigkeit und Schwere, Statik und Dynamik - ein formales Problem in vielen der römischen Arbeiten Cimiottis. Noch ein weiteres Motiv taucht erstmals in den Plastiken des Jahres 1959, etwa in „Der Wald“ (in der Monografie mit Abb. Nr. 24, hier ohne Abb.), auf: Die plastische Haut wird durchlöchert, durch unregelmäßige Öffnungen aufgebrochen. durch Einschnitte verletzt. Nun würde es aber der Vorgehensweise Emil Cimiottis grundsätzlich widersprechen, wenn man annähme, der Künstler sei durch die Landschaften Latiums und der Campagna zu seinen Schöpfungen angeregt worden, oder gar, es handele sich um Landschaftsporträts. So notiert der Künstler im Juni 1959 in Rom: „ln einer Kritik gelesen, daß mich die südliche Landschaft angeregt hat, Landschaftsplastiken und Landschaftszeichnungen zu machen. Erstaunlich dabei ist, wie sehr sich die Betrachter durch Titel verführen lassen: die Plastiken und Zeichnungen haben natürlich nichts mit der Landschaft um Rom zu tun. Es sind meine „lnneren Landschaften“, entstanden in Rom, - daher die Titel: „Römische Landschaft“. lch arbeite nie nach der Natur, übersetze nie unmittelbare Ein - drücke - abstrahiere nicht - sondern bilde in kontinuierlicher Arbeit meine Formenwelt immer weiter aus, so daß sie schließlich Assoziationen zu erzeugen vermag.“ 29 Auch in einem anderen Zitat betont Cimiotti, daß er nie Themen illustriert und seine Schöpfungen stets vieldeutige Gebilde sind: „Es gibt keine Themen. wovon ich ausgehe; es gibt nur scheinbare Themen, die bei der Arbeit entstehen: Das sind Berge, die sich aus keinem Erdboden erheben, Bäume, die nie gewachsen sind, Wolken, die nie über uns hinwegziehen werden. Es sind Gebilde, die Berge, Bäume, Busen, Wolken sind. Die alles dieses zu gleich sind, vieldeutig, auswechselbar, eins als das andere zu deuten. Es sind Gebilde – prall, diesseitig, erdhaft – und zugleich bloße Haut, unterhöhlt, vorgegaukelt.“ 30 Daß die Assoziationen des Betrachters (ebenso wie des Künstlers selbst) dabei in ganz unterschiedliche Richtungen gehen, die Plastiken immer so oder so deutbar sind, verdeutlicht Cimiotti durch die Wahl des ironisch-spielerischen Werktitels „Inselbewohner oder anderes“
Römische Zeichnungen Vergleicht man die 1959 in Rom entstehenden großformatigen Graphitzeichnungen (in der Monografie mit Abb. Nrn. 179 + 180, hier ohne Abb.) mit den früheren Blättern, so läßt sich ein Wandel in der zeichnerischen Auffassung wie auch im Umgang mit den Gestaltungsmitteln konstatieren. Es sind nun ganz freie, locker gefügte, von Vitalität und Energie durchpulste Kompositionen. in denen scharf akzentuierte Linien und Liniengespinste und weich modulierte, flächige Partien offene Rhythmen und Strukturen bilden, die Assoziationen an Landschaftliches auslösen. Siegfried Salzmann schreibt hierzu: „Die Linie verselbständigt sich; auseinandergerissen und immer erneut abgeknickt dramatisiert sie das Geviert [...]. Durch Verwischen und Radieren heben sich Papierstrukturen ab, Bündel von Kritzeln ziehen sich zu Nestern zusammen. Die zeichnerische Syntax und selbst das Schwarz-Weiß verhalten sich kontrapunktisch. Die Blätter wirken wie von einem großen Atem durchweht, alles Sichtbare erscheint augenblicklich und vorübergehend.“ 31 In einer Reihe von dynamisch-kraftvollen, mit erregtem Gestus ausgeführten Zeichnungen beschäftigt sich Emil Cimiotti mit Dantes „Inferno“, und es scheint, als habe der Künstler eine visuelle Entsprechung für das dramatische Geschehen in der Dichtung gesucht. Die Zeichnungen der 1960er Jahre sind vorzugsweise mit Graphit auf Bütten gearbeitet, teilweise kombiniert mit Bleistift, und überwiegend titellos. Das dünne, harte Lineament tritt gegenüber dem breiten, weichen Strich und dem tonigen Auftrag zurück, Anthropomorphe und landschaftliche Strukturen werden sichtbar.
1961: Die erste größere Plastik Einen Höhepunkt im Frühwerk Emil Cimiottis bildet die zwei Meter hohe Plastik Daphne (in der Monografie mit Abb. Nr. 34, hier ohne Abb.) aus dem Jahr 1961, die als Auftragsarbeit des Kölner Mäzens und Sammlers Gustav Stein entstand, 1970 auf der Weltausstellung in Osaka gezeigt wurde und sich heute im Besitz der Skulpturensammlung der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden befindet. Daphne ist in der griechischen Mythologie eine Quellnymphe, die auf der Flucht vor der Liebe des Sonnengottes Apollon von ihrer Mutter Gäa (Erde) in einen Lorbeerbaum (griechisch dàphn = Lorbeer) verwandelt wird. Ovid schildert den Mythos in seinen Metamorphosen. Bei seiner Plastik ging Cimiotti, wie Christa Lichtenstern in ihrer eindringlichen Analyse des Werkes gezeigt hat, „nicht von der Erzählung des Mythos aus, sondern von den Formimpulsen seines Werkes, in welchem der Daphne-Stoff, so wie er ihn verstand, bereits in vielen Bronzen latent anwesend war. […] [in der Daphne Plastik] erhebt sich über einem kleinen zugespitzten Sockelelement eine große Gesamtform mit annähernd ovoidem Umriß, aus der eine Fülle von Teilformen ausgestülpt werden. Diese gliedern sich ihrerseits in die erdigen, blasigen Aufwölbungen, die in anderen Bronzen „Vulkan“ – oder Berg-Titel tragen, d.h. auf terrestrische Zusammenhänge verweisen, und in die fragilen, abwehenden Form-Enden, die sich z.B. als Relikte einer vorangehenden „Baum“ – Komposition von 1961 (in der Monografie mit Abb. Nr. 38, hier ohne Abb.) zu erkennen geben. So werden zwei dem Künstler bereits geläufige Formmöglichkeiten auf neue Weise miteinander verbunden. Er läßt Daphne im Einzugsfeld von Erd - und Baumassoziationen erstehen. Sie ist gleichermaßen die Erde, die sie anruft, und ebenso auch schon der sprossende Baum. Menschliches wird nicht mehr wie im Modell von 1960 figurativ vergegenwärtigt, sondern klingt im absichtsvollen Ungefähr in der Bewegung, in der Torsion, an, mit der sich der gesamte obere Teil von der Sockelform wegbiegt. Cimiotti gelangt somit zu einer Daphne-Konzeption, die übereinstimmend mit seiner allgemeinen transitorischen Formensprache das Thema der Verwandlung aus den eigenen bildnerischen Mitteln heraus als prozessuales Geschehen absolut setzt.“ 32 Der Auftrag von Gustav Stein war für Emil Cimiotti gleichermaßen Herausforderung und Chance, bot sich hier doch erstmals die Gelegenheit zur Realisierung einer größeren Arbeit. Monatelang beschäftigte sich der Künstler intensiv mit der Plastik, wovon mehrere Vorstudien zeugen. Kein Thema entspricht so präzise seinen künstlerischen Absichten wie das der Metamorphose, geht es ihm doch immer um die elementaren naturhaften Prozesse des Werdens und Vergehens, um die permanente Veränderung und Verwandlung, das Transitorische, Vorübergehende. So konnte Albert Schulze Vellinghausen 1960 die treffende Beobachtung machen, Cimiottis Werke erregten „die suggestive Illusion, sie seien aus grenzenloser Bewegung herausgegriffen“. 33 Cimiotti war stark von den Gedanken Willi Baumeisters geprägt, dessen Zuspruch in der Stuttgarter Akademie ihm Mut gemacht hatte, seinen Weg in die Abstraktion zu gehen. Baumeisters im Zweiten Weltkrieg verfaßtes, 1947 veröffentlichtes Buch „Das Unbekannte in der Kunst“ hatte auf Cimiotti und die junge Künstlergeneration wie eine Offenbarung gewirkt. Unter dem Eindruck von Goethes Metamorphosenlehre entwickelte Baumeister den Gedanken, das Prinzip der Metamorphose liege den Lebensvorgängen der Natur ebenso wie aller künstlerisch-bildnerischen Tätigkeit zugrunde. Das Buch endet mit den Worten: „Kunst als Gleichnis der strömenden Metamorphose wird Kunst = Naturerscheinungsform“. 34 Ab 1962 wandelt sich die Formensprache in Cimiottis Plastiken. Die Formen werden „lakonischer und lapidarer, sie verzichten auf eine vielteillige Gliederung und ballen sich zu wuchtigen, doch zugleich leicht und wie schwebend erscheinenden atmosphärischen Leibern“. 35 So beispieIsweise in der Plastik in „Wolke Ill“ (in der Monografie mit Abb. Nr. 40, hier ohne Abb.), die wie aufgebläht erscheint und deren plastische Hülle von mehreren lochartigen Öffnungen durchstoßen ist. Landschaft, Baum, Berg, Muschel - das sind die Werktitel dieser Jahre. 1964/65 entstehen vier Vegetative Motive (in der Monografie z.B. mit Abb. Nrn. 50/51, hier ohne Abb.): „Große blütenartige Trichter mit lappigen Rändern reißen, in Dreierformation aus einem Kegel wachsend und gleich Orkustrompeten aus tiefen Schlündern röhrend, ihre Mäuler auf“ 36 In ihrer vertikalen Tendenz nähern sich diese Plastiken anthropomorphen Formgebilden an, und tatsächlich gibt es in dieser Phase auch Arbeiten wie „Paar und Adam“ (in der Monografie mit Abb. Nr. 52, hier ohne Abb.)
1966 -1973: Auflagengüsse im Sandgußverfahren Unter dem Eindruck der Krise des lnformel, das zu Beginn der 1960er Jahre zur Mode verkam und eine Reihe von Gegenströmungen auslöste, darunter die „Neue Figuration“, konzipierte Emil Cimiotti 1965 seine plastische Kunst neu. Er wechselte die Gußtechnik und veränderte seine Formensprache. lm Sandgußverfahren, das im Gegensatz zur früher praktizierten Wachsausschmelzung eine Auflage von mehreren Exemplaren ermöglicht, schuf der Künstler stehende, liegende oder sitzende menschIiche Torsi und Blumenformen aus Bronze, Neusilber oder Aluminium. Die Figuren zeichnen sich durch kompakte Formen, geschlossene Volumina und geschliffene, teilweise sogar polierte Oberflächen aus. Später wird sich der Künstler von dieser Werkphase distanzieren, obwohl er, wie er in einer Notiz im September 1970 festgehalten hat, durchaus Gewinn aus ihr zog: „Nicht ohne Grund habe ich seit 1965 in veränderter Technik (kompakte Formen, Sandguß) gearbeitet. lch hatte den Gewinn, in größeren Formen denken zu lernen. Jetzt aber merke ich, daß meine Phantasie durch die festeren Formen eingeschnürt wird. lch greife, in anderer Form, die alten Techniken auf, arbeite wie zuvor in der Wachstechnik an offenen Gebilden und sogleich setzt wieder eine Fülle von Themen und Vorstellungen ein.“ 37
1974 -1977 Rückkehr zur Gegenständlichkeit? Mitte der 1970er Jahre tritt in formaler und inhaltlicher Hinsicht erneut ein Wandel in der Kunst Emil Cimiottis ein. Tod und Vergänglichkeit tauchen als Themen auf, gegenständliche Motive prägen die Plastiken. So in „Du und ich I“ (in der Monografie mit Abb. Nr. 61, hier ohne Abb.), einer Plastik mit zwei Schädelformen, in der rötlich patinierten Plastik „Ich denke an Alice“ (in der Monografie mit Abb. Nr. 62, hier ohne Abb.), einem hockenden menschlichen Gerippe, oder in der Totenbüste „Mein Bruder“. Knochenformen, Zivilisationsmüll und Blattformen begegnen uns in zwei Stilleben aus dem Jahr 1976, „Waldstück” (in der Monografie mit Abb. Nr. 64, hier ohne Abb.) und „Die Mahlzeit ist zu Ende“ (in der Monografie mit Abb. Nr. 63, hier ohne Abb.). Hier bezieht Cimiotti Naturabgüsse ein - ein bereits von den Bildhauern und Goldschmieden der Renaissance praktiziertes Verfahren -, die freilich stark manipuliert sind: Weil Blattunterseiten eine stärkere Textur der Rippen und Lamellen aufweisen als die Oberseiten, goß Cimiotti die Blattunterseiten ab und kehrte sie in der Plastik nach oben. Mit dem neuen Naturalismus, der sich hier vermeintlich Bahn bricht, ist es bei genauerem Hinsehen nicht weit her. Die Knochen- und Schädelformen etwa haben mit anatomischer Richtigkeit nichts zu tun, sind vielmehr frei modellierte Gebilde – „...nicht Skelette, sondern Strukturen“ 38, schreibt der Künstler im September 1979. Die Grundthemen des plastischen Schaffens Cimiottis bieiben dieselben, sie werden nur an anderen Formkonstellationen erkundet. Neu hingegen sind die expliziten symbolischen Bezüge. Dabei wird es kein Zufall sein, daß die Vanitas- und Memento-Mori- Thematik zu einer Zeit auftaucht, da die Energiekrise der westlichen Welt drastisch die Grenzen des Wachstums, die Endlichkeit der Ressourcen und den Raubbau an der Natur vor Augen stellte. 1976 beendet der Künstler seine fast zweijährige Arbeit an dem monumentalen Ständehausbrunnen (in der Monografie mit Abb. Nr. 59, hier ohne Abb.) im Stadtzentrum Hannovers, dessen Motiv große Blattformen sind. „Der Brunnen ist ein gewaltiger breitlagernd aufgeschichteter Strukturteppich“, schreibt Eberhard Roters, ein „Dschungel aus Waben und Hohlräumen, der den Blick in sich hineinzuziehen versucht, in dessen Mitte das Auge aber nicht vorzudringen mag. Nur die Dunkelheiten der Höhlungen und Zwischenräume, in die es blickt, vermitteln ihm eine Ahnung von der Tiefe seines lnnern. Das Auge kann die Fülle des Wechsels nicht auf einmal fassen. Hinzukommt die strudelnde Bewegung des Wassers, das im Wechsel der täglichen und jahreszeitlichen Lichtverhältnisse ein zusätzlich strukturauflösendes atmosphärisches Moment ins Spiel bringt.“ 39 Auch hier verwandte Cimiotti abgegossene Blattunterseiten als Oberseiten. Bis 1984 sollten weitere Brunnen- und Freiplastiken für Göttingen, Berlin und Recklinghausen entstehen. Parallel zum Abschluß des Hannoveraner Brunnenprojekts beginnt Cimiotti, seine Plastiken zu bemalen, zunächst noch ganz sparsam und zögernd, später immer stärker. Im September 1976 notiert der Künstler: „Habe erstmals eine Plastik bemalt. War zunächst sehr unsicher, habe häufig geändert, schließlich farbige Details belassen. Es kommen ganz neue Vorstellungen in Gang. Auch die Zeichnungen werden farbig. Farbe nicht als Zutat, sondern zur Vertiefung der Vorstellung“. 40
1970er Jahre: Zeichnungen zu Knochen und Totenköpfen, die Rignana-Folge Der formale und inhaltliche Wandel in Emil Cimiottis Kunst der 1970er Jahre vollzieht sich in den Zeichnungen bereiis zu Anfang des Jahrzehnts. In kleinformatigen Kugelschreiberzeichnungen auf Durchschlagpapier widmet sich der Künstler Todesthemen. Dabei sind die Motive wie „Knochen und Schädel“ und „Knochen“ aus dichten Linienschraffuren ausgespart. Parallel zu den menschlichen Skeletten in der Plastik Mitte der l970er Jahre („lch denke an Alice“, „Mein Bruder“) entstehen Bleistift- und Kugelschreiberzeichnungen zum selben Thema („Sitzende Figur“, Zum Thema: Mein Bruder). 1976 beginnt Cimiotti, Kugelschreiberzeichnungen mit Deckweiß zu höhen. Vom Ergebnis ist er sehr angetan, wie aus einer Notiz vom Juli 1976 hervorgeht: „Die neuen Kugelschreiberzeichnungen mit Deckweiß korrigiert. Das Deckweiß löst die Tinten an, es entstehen wie von selbst farbige Nuancen, ein Weiß wird fast ein Rosa. Vielleicht ein erster Schritt zur Verwendung von Farbe“. 41 Eines der ersten farbigen Blätter ist „Knochen“ von 1978, mit Blei- und Farbstiften, Kugelschreiber und Deckweiß auf Schoeller-Karton gearbeitet. Das dichte Gewebe von Knochenstrukturen wird an einigen Stellen, vornehmlich im Zentrum der Komposition, durch rote Farbe akzentuiert, die Fleisch und Blut assoziieren läßt. lm Sommer 1979 schafft Cimiotti die rund 40 Blätter umfassende Rignana-Folge (in der Monografie mit Abb. Nrn. 185, 188, hier ohne Abb.), benannt nach ihrem Entstehungsort Rignana Vecchia in der Toskana. Für die in Mischtechnik (Bleistift, Farbstifte, Graphit, Kreiden, Kugelschreiber, Deckweiß) ausgeführten Zeichnungen wählt der Künstler grau-braun getönte Fabriano-Büttenpapiere. So notiert er im Juli 1979: „ln diesem Licht macht mich jelzt das weiße Papier frösteln, blendet meine Augen. lch skizziere auf Packpapier, entdecke dann bei Zecchi für mich die getönten Fabriano-Papiere.“ 42 Dichte, kraftvolle Linienschraffuren und zarte, transparente Farbflächen verdichten sich zu Knochenformen, fragmentierten Körpern, Totenschädeln, Gerippen, manchmal eindeutig, manchmal oszillierend zwischen landschaftlicher und anthropomorpher Struktur („Leib/Landschaft“, in der Monografie mit Abb. Nrn. 193, 194, hier ohne Abb.). Das Papierformat ist eher klein, doch die Wirkung der Figurentorsi in Blättern wie „Sebst“ (Rignana-Folge) ((in der Monografie mit Abb. Nr. 185, hier ohne Abb.)) und der Köpfe wie in „Kopf“ (Rignana-FoIge) geradezu monumental. Wenn es scheint, die Blätter begännen zu vibrieren, ja zu atmen, so entspricht das ganz der Intention des Künstlers, der im August 1979 in Rignana Vecchia die Worte niederschreibt: „Die Oberfläche einer Plastik, die „Haut“ einer Zeichnung: so will ich sie haben, daß man glaubt, den Puls darunter fühlen zu können.“ 43 In der Breite des zeichnerischen Spektrums, der Intensität des Ausdrucks und dem Reichtum formaler Erfindungen stellt die Rignana-Folge ganz ohne Zweifel einen Höhepunkt im Œuvre Emil Cimiottis dar.
1980er Jahre: Der menschliche Torso Wegen eines tragischen Unglücksfalles In der Familie unterbricht Emil Cimiotti von Anfang 1981 bis Herbst 1982 seine bildhauerische Arbeit und konzentriert sich in dieser Zelt ganz auf das Zeichnen. Mit den drei großformatigen menschlichen Torsi „Knieende“ (in der Monografie mit Abb. Nr. 76, hier ohne Abb.), „Stauffenberg-Projekt” (in der Monografie mit Abb. Nr. 75, hier ohne Abb.) und „Figur” (für Meister Gislebertus) (in der Monografie mit Abb. Nr. 77, hier ohne Abb.) der Jahre 1983 bzw. 1984, die an die Vanitas- und Memento-Mori-Thematik der mittleren 1970er Jahre anknüpfen, setzt Cimiottis plastische Tätigkeit wieder ein. Die “Figur” (für Meister Gislebertus), die als Leihgabe der Stadt Braunschweig im Braunschweiger Dom steht, ist ein über zwei Meter hoher, in den Knien gebeugter Torso, „der dem Meister von Autun und seinen ergreifenden Kathedralskulpturen aus dem 12. Jahrhundert über die Zeiten hinweg huldigt: ein hochaufgerichteter wie mumifiziert wirkender sehnigrippiger Leib, dessen Aura das alte Strukturmotiv in eine Verklärung hebt“. 44 Skeletthaft wirken auch die Körper der „Knieenden“ und die sitzende Gestalt des „Stauffenberg-Projekts“. Letztere schuf Cimiotti für ein geplantes Denkmal für den Widerstandskämpfer Claus Graf Schenk von Stauffenberg in dessen Geburtsort Stuttgart; jedoch wurde die Plastik, die sich heute in den Städtischen Kunstsammlungen der Stadt Salzgitter befindet, von den Auftraggebern nicht angenommen, weil sie ihnen dem Publikum nicht zumutbar schien. Auch in diesen drei Werken ist die plastische Durcharbeitung weit von anatomischer Richtigkeit entfernt, scheint es primär um die Strukturierung und Rhythmisierung abstrakter plastischer Elemente im Raum zu gehen. So betonte der Künstler einmal: „Alle meine Plastiken, auch die scheinbar ungegenständlichen, haben lnhalte. Alle meine Plastlken, auch die scheinbar realistischen, sind ganz abstrakt.“ 45
1980er Jahre bis heute: Zeichnungen zu Leib und Landschaft - und immer wieder Struktur Thematisch setzen die Zeichnungen seit den 1980er Jahren bis heute jene der 1960er und vor allem der 1970er Jahre fort, formal, technisch und künstlerisch gehen sie indessen weit darüber hinaus. Das Übergeordnete Thema bleibt Struktur, es wird erkundet in Blättern mit Titeln wie „Rumpf“ (in der Monografie mit Abb. Nr. 191, hier ohne Abb.), „Body“, „Leib/Landschaft“, „Leib und Landschaft“. Auch die relativ kleinen Blattformate der 1970er Jahre behält Emil Cimiotti bei. Die Farbe hingegen wird seit 1983 sehr viel intensiver verwendet als früher - in der Plastik setzt diese Entwicklung erst ein paar Jahre später ein -, zudem treten mit Pinselzeichnung, Aquarell, Gouache und Collage neue Techniken hinzu. Welch neue Welten sich Cimiotti in der Zeichnung erobert, zeigt eindrücklich eine Reihe von 1983 entstandenen Zeichnungen, in denen das aus den 1950er Jahren bekannte Thema der Figurengruppen in verwandelter Form wieder auftaucht, darunter „Boat-PeopIe” (in der Monografie mit Abb. Nr. 189, hier ohne Abb.). Die Bildfläche ist hier vollständig mit Gouachefarbe bedeckt, und der Pinsel verdrängt weitgehend Farbstifte und Kugelschreiber; dadurch kommt eine bildhaft-malerische Wirkung zustande. Diese Veränderungen äußern sich auch in den Werkskizzen. Über die Skizzen seit dem Ende der 1980er Jahre schreibt Cimiotti: „Die neuen Blätter [...] sind Iapidarer geworden und farbiger, wie auch die gleichzeitig entstandenen räumlichen Objekte. Oft mit breitem Pinsel geschrieben, begleiten sie, fast wie verkürzende Kommentare. meine plastische Arbeit. Richtungspfeile, Wegmarken.“ 46 Mit breitem Pinsel und in einfachen Formen ausgeführt sind auch die großformatigen Lackgouachen der 1990er Jahre, zum Beispiel „Landschaft“ oder „Gebirge“ (in der Monografie mit Abb. Nr. 195, hier ohne Abb.). Die innere Verwandtschaft mit den Plastiken dieser Jahre ist hier nicht zu übersehen. Plastik und Zeichnung, Zeichnung und Plastik gehen von Anfang an in Emil Cimiottis Werk an Hand in Hand, das eine verlangt nach dem anderen: „Wenn ich zeichne, bekomme ich Lust, Plastiken zu machen. Wenn ich Plastiken mache, wächst die Lust zu zeichnen.“ 47
1990er Jahre bis heute: Strukturen, Landschaft und immer wieder Farbe Seit Ende der 1980er Jahre nimmt Emil Cimiotti eine Reihe von älteren Themen wieder auf und entwickelt sie weiter. Die Titel verweisen überwiegend auf die belebte und unbelebte Natur und auf geomorphe Erscheinungen: „Baum” (in der Monografie mit Abb. Nrn. 97, 104, 163, hier ohne Abb.), „Gipfel” (in der Monografie mit Abb. Nr. 106, hier ohne Abb.), „Hügel” (in der Monografie mit Abb. Nr. 91, hier ohne Abb.), „Berg” (in der Monografie mit Abb. Nrn. 98-102, 159, hier ohne Abb.), „St. Andreasgraben” (in der Monografie mit Abb. Nr. 125, hier ohne Abb.), „Terra incognita” (Nrn. 111-113), „Flußbett” (Nr.12/1), „Bodenrelief” (Nr.135), „Große Düne” (Nr.120), „Kavernen” (Nrn. 153-155); oder auch auf das Übergeordnete Thema Strukturen (Nrn. 137, 160). Eine Tendenz zu größeren Dimensionen läßt sich feststellen - das 1990/91 ausgebaute neue große Atelier in Hedwigsburg bei Wolfenbüttel bietet neue Möglichkeiten -, zugleich werden die Formen lapidarer, und die Bedeutung der Farbe nimmt zu. Diese Entwicklung läßt sich exemplarisch an einem Vergleich zweier Arbeiten zum selben Thema aufzeigen, nämlich „Der Baum“ von 1961 (Nr 38) mit den Maßen 44 x 58 x 32 cm und „Baum“ von 1992 rnit den Maßen 80 x 136 x 43 cm. Die frühe Plastik erhebt sich über einer reich modellierten Plinthe zu einem kleinteiligen Gebilde, dessen zahlreiche Ausstülpungen fingerartig nach allen Richtungen in den Umraum ausgreifen und der Plastik einen unruhigen, offenen Umriß verleihen. Die über dreißig Jahre später geschaffene Arbeit fußt auf einem industriell vorgefertigten Eisenrohr, das auf eine Stahlplatte geschweißt ist. Darüber breitet sich schirmartig die große, relativ flache bronzene Form aus. Ihr Umriß und ihre Oberfläche sind an mehreren Stellen durch unregelmäßige Öffnungen aufgebrochen - solche Perforierungen der plastischen Haut kennen wir bei Cimiotti seit 1959. Spuren schwarzer Bemalung steigen von unten nach oben auf, verbinden einige Löcher, akzentuieren einzelne Partien. Trotz der genannten Einschnitte und Einkerbungen sowie vieler Mulden und Buckel wirkt die plastische Gesamtform aufs Ganze gesehen deutlich ruhiger und geschlossener als die der Arbeit von 1961. Wenn hier immer wieder ganz selbstverständlich von Themen die Rede ist, so muß nochmals betont werden, daß Cimiotti niemals mit einem thematischen Vorsatz an seine Werke herangeht, seien es Plastiken oder Zeichnungen. Dies unterstreicht er in einer Notiz vom März 1964: „Nie gehe ich von Themen aus, nie illustriere ich. Der Weg läuft anders: meine Formvorstellungen lenken offenbar mein Wahrnehmungsinteresse, daraus bilden sich thematische Bezüge, die man, vorsichtig umschreibend, in Worte fassen kann: meine Arbeitstitel. Die endgültigen Titel sind oft anders, weil sich die Arbeit im Prozeß mit anderen Bedeutungen angereichert hat“. 48 lst bei der beschriebenen „Baum“-Plastik von 1992 die Farbe sparsam in Form einzelner Spuren eingesetzt, so gibt es Ende der 1980er und in den 1990er Jahren auch eine ganze Reihe von Arbeiten, deren Corpus vollständig mit Farbe überzogen ist, so daß die Bronze nicht mehr in Erscheinung tritt. „Das expressive Moment der Plastiken, ihre innewohnende Urwüchsigkeit und Vitalität erfahren dadurch noch eine zusätzliche Steigerung. Die Kontraste von heller, wie Schnee wirkender Farbe und dunklen Farbakzenten, die die Höhlungen und inneren Bewegungen noch aufwerten, steuern einem ergreifenden expressiven Höhepunkt zu. In Arbeiten wie „Strukturen verletzt“ (in der Monografie mit Abb. Nrn. 85 und 86, hier ohne Abb.), kontrastiert diese Spannkraft und Munterkeit mit der quadratischen, strengen Eingrenzung. Die sich wölbenden, überschneidenden und sich gegenseitig durchdringenden Strukturen werden als ein autonomes, nach außen sich abgrenzendes Innenleben erkennbar.“ 49 Auch die Arbeit „Terra incognita I“ aus dem Jahre 1991 (in der Monografie mit Abb. Nr. 111, hier ohne Abb.), ist über und über mit weißer Farbe bedeckt, über die mit vehementem gestischen Pinselduktus ein Gespinst von dunklen Bahnen und Linien gelegt ist. „Das Spannende daran ist, schreibt Angela Ziesche, „daß die Farben ebenso wie die Formen ein Eigenleben führen, d. h. die Farbe folgt nicht etwa der Form, sondern bleibt autonom. So werden neue Bezüge zwischen den Einzelelementen hergestellt. lnnerhalb des selbstgeschaffenen Rahmens der geometrischen Silhouette kann sich das reiche Beziehungsgeflecht von Formen und Farben frei entfalten.“ 50 Der Begriff „geometrische Silhouette“ mag auf den ersten Blick überraschen, werden doch die Werke Cimiottis in der Literatur in der Regel mit Vokabeln wie organisch, biomorph, naturhaft, wachsend und vergehend etc. umschrieben. lndes bezeichnet er zutreffend eine Tendenz im reifen Werk des Künstlers, der seine Plastiken bisweilen regelrecht wie ein Architekt baut, montiert, anstatt sie wachsen zu lassen. So etwa in der Arbeit „Pyramids/Berg“ von 1991, die aus vier dreieckigen Flächen zusammengesetzt ist, wodurch die pyramidale Form entsteht. Die unregelmäßigen Kanten und Öffnungen in der Oberfläche erlauben den Blick in den inneren Hohlraum. In diesem Zusammenhang sind auch die Werke zu nennen, die sich vertikal über einem Eisenfuß erheben und sich in ihrem äußeren Umriß dem Rechteck annähern, wie beispielsweise die schon erwähnte, mit einem reichen lnnenleben ausgestattete Arbeit „Strukturen verletzt“ und „Afrikanisch II, später Gruß an Willi Baumeister” (in der Monografie mit Abb. Nr. 164, hier ohne Abb.). Eher gebaut wirken auch strukturale Werke wie „Kavernen“ von 1999/2000 (von lateinisch cavema = Höhle / in der Monografie mit Abb. Nrn. 153-155, hier ohne Abb.). „Räumliche Strukturen, das meint: Abfolge von z.B. Zellen, Waben, Kavernen - eben von spezifisch einander zugeordneten Räumen.“ 51 Relativ breiten Raum im Spätwerk Emil Cimiottis nehmen die Plastiken ein, die sich flach, mitunter wie ein Teppich, in horizontaler Bewegung am Boden ausbreiten, wie etwa „Große Düne“, „Flußbett“, „Hoch-PIateau“ (in der Monografie mit Abb. Nr. 123, hier ohne Abb.), „Fragment einer Landschaft“ (in der Monografie mit Abb. Nr. 126, hier ohne Abb.), oder „Terrassen“ (in der Monografie mit Abb. Nr. 127, hier ohne Abb.). Auch bei diesen Werken geht es in erster Linie um Strukturen und damit um das zentrale Gestaltungsprinzip Emil Cimiottis in der Bildhauerei wie in der Zeichnung, Im Frühwerk wie im Spätwerk. So sind die Worte des Künstlers aus dem Jahr 1962 noch heute uneingeschränkt gültig: „Schwebende Landschaft, Berge, anthropomorph. Materie, aber nicht das Beständige daran, das Kompakte, sondern das Vorübergenende, das Temporäre. Offene Strukturen“. 52
Emil Cimiotti in der Kunst nach 1945 Die beiden entscheidenden Jahreszahlen in der frühen Werkbiographie Emil Cimiottis sind 1950, die Entstehung erster abstrakter Arbeiten, und 1955, der Beginn des informellen Œuvre. Um zu ermessen, welchen historischen Schritt der Künstler und seine Generationsgenossen in der Bildhauerei vollzogen haben, muß man sich die künstlerische Situation jener Zeit vor Augen führen. In den Nachkriegsjahren waren die kunstkritischen Debatten von der Kontroverse um Abstraktion und Gegenständlichkeit geprägt. Sie fand 1950 einen Höhepunkt im mittlerweile legendären ersten „Darmstädter Gespräch“, das im Rahmen der Ausstellung das „menschenbild in unserer zeit“ auf der Mathildenhöhe in Darmstadt veranstaltet wurde. 53 An ihm nahmen Künstler, Kunstkritiker und Kunsthistoriker sowie Wissenschaftler anderer Disziplinen teil, darunter der Philosoph und Soziologe Theodor W. Adorno, der Mediziner Alexander Mitscherlich und der Soziologe Alfred Weber. Hauptkontrahenten waren der konservative österreichische Kunsthistoriker Hans Sedlmayr und, auf der Seite der Befürworter der Abstraktion, Willi Baumeister. Daß in dieser Zeit der junge Emil Cimiotti an der Stuttgarter Akademie in Kontakt mit Baumeister stand und von diesem Ermutigung und Unterstützung erfuhr, dürfte für die Fortsetzung des eingeschlagenen Weges in die Abstraktion und damit für seine gesamte weitere Entwicklung wichtig gewesen sein. Prägend, wenn auch nur von kurzer Dauer, waren ebenso die Stationen in Berlin und vor allem in Paris, wo Cimiotti insbesondere Constantin Brancusi, Alberto Giacometti und Henri Laurens studierte. An der von Karl Hofer geleiteten West-Berliner Hochschule der Künste unterrichteten die Bildhauer Bernhard Heiliger (seit 1949), Hans Uhlmann und Karl Hartung (beide seit 1950). Alle drei Künstler waren auf ganz unterschiedlichen Wegen und von verschiedenen formalen Voraussetzungen ausgehend zu abstrahierenden bzw. abstrakten Ansätzen in der Plastik gekommen, ließen aber den plastischen Kern und die festen Volumina weitgehend unangetastet. „So unterschiedlich ihre Positionen auch waren, einte sie doch die gemeinsame Abkehr von der realistisch-figürlichen Bildhauerei, die in den Nachkriegsjahren nicht nur im sowjetisch besetzten Teil Deutschlands, sondern auch in den Westzonen und Berlin zunächst noch tonangebend war.“ 54 Zu den figurativ arbeitenden Künstlern zählten unter anderem die nach 1945 ebenfalls in Berlin lehrenden Plastiker Waldemar Grzimek, Richard Scheibe, Ludwig Gabriel Schrieber, Gustav Seitz und Renèe Sintenis sowie die dem Menschenbild verpflichtete Münchner Bildhauerschule mit Anton Hiller, Heinrich Kirchner und Toni Stadler. Auch die in den Nachkriegsjahren in Hamburg unterrichtenden Gerhard Marcks und Edwin Scharff sind hier zu nennen, ebenso der an der Frankfurter Städelschule tätige Hans Mettel und nicht zuletzt Ewald Mataré, der 1933 seine Professur an der Düsseldorfer Akademie verloren hatte und 1946 wieder in sein Lehramt eingesetzt wurde. 1955 - also in dem Jahr, als Willi Baumeister starb und in Kassel die erste documenta stattfand - hatte Emil Cimiotti sein blldhauerisches Konzept entwickelt und der Plastik damit neue Wege jenseits der tradierten Definitionen von plastischem Kern, Volumen und Oberflächenbehandlung gewiesen. Auch in der Zeichnung war seine Kunst innovativ. So hebt Dieter Honisch hervor, daß Cimiotti „skulptural und zeichnerisch einen wichtigen Ansatz“ entwickelte, „der ihm gleich zwei Preise der Künstlergruppe Junger Westen in Recklinghausen einbrachte und ihn damit als wesentliche Kraft auswies. [...] Innen und Außen der Plastik traten in einen Dialog. Die Haut gehörte beiden. [...] Diese eigenartige Sensibilität für innen und außen, für Körper und Raum, ist von keinem so klar definiert worden, wie von Cimiotti“. 55 Dabei griff der Künstler gerade nicht auf neuartige oder ungewöhnliche Materialien oder Techniken zurück. Sondern auf eines der ältesten Bildhauermateralien der Welt, die Bronze. Und auf eine ebenso uralte Gußtechnik, das Wachsausschmelzverfahren. Mit „klassischen“ Mitteln schuf Cimiotti. wie Albert Schulze Vellinghausen 1960 zutreffend schrieb, „anti-klassische Gebilde“. 56 Dem alten Ideal der Materialgerechtheit lief auch Cimiottis Gebrauch der Farbe in der Plastik zuwider, zumal dann, wenn er die teure und edle Bronze vollständig unter Farbe verschwinden ließ. Mit seinen Bestrebungen stand Cimiotti nicht allein. Seine Generationsgenossen Otto Herbert Hajek, Ernst Hermanns, Norbert Kricke, Brigitte Meier-Denninghoff und andere Bildhauer wie die heute weniger bekannten Jochen Hiltmann, Paul Reich, Christa von Schnitzler und Friedrich Werthmann beschäftigten sich mit ähnlichen Problemen, fanden aber zu andersartigen Lösungen. Dabei kristallisierten sich einige Themen und Motive heraus, die sowohl die ungegenständlichen als auch die figurativen Bildhauer in den 50er Jahren beschäftigten, so etwa das Motiv der Figurengruppe, das Cimiotti in seiner frühen informellen Phase in Plastik und Zeichnung immer wieder bearbeitete. Thorsten Rodiek verweist in diesem Zusammenhang auf „Kenneth Armitage, der insektenhafte und skurril wirkende Figurengruppen schuf, die, wie bei Cimiotti, wie vom Winde bewegt erscheinen [...]. Auch die Süddeutschen Alfred Lörcher, bei dem Cimiotti häufig zu privaten Gesprächsrunden eingeladen gewesen war, und Fritz König hatten sich damals mit dem Thema der Gruppenplastik intensiv auseinandergesetzt und eindrucksvolle Bildwerke geschaffen [...]. Allerdings blieben diese Arbeiten, mit Ausnahme vielleicht von Alfred Lörcher, vergleichsweise flächig. Sie besitzen nicht jenes vibrierende Licht-Schattenspiel und jene Aufgerissenheit der Plastiken Cimiottis, ganz zu schweigen von deren „beabsichtigter Vieldeutigkeit“, die die Fantasie des Betrachters weit mehr und in anderer Weise animiert, als die Arbeit seiner Kollegen.“ 57 Auch Ursula Katharina Schneider unterstreicht die Bedeutung von Cimiottis Gruppenplastiken in der gesamteuropäischen Entwicklung der Plastik: „Mitangeregt von den nur wenige Jahre zuvor formulierten Vorstellungen der englischen Bildhaueravantgarde, erarbeiteten Emil Cimiotti und Fritz Koenig zwischen 1956 und 1960 einen wesentlichen Beitrag zur gesamteuropäischen Entwicklung der Bildhauerei dieser Epoche am Motiv der Gruppenplastik.“ 58 In der Tat müssen die lnnovationen Emil Cimiottis und seiner Generationsgenossen vor dem Hintergrund der internationalen Entwicklung gesehen werden. So spricht der Kunstkritiker Roger van Gindertael 1961 von der Herausbildung einer „nouvelle sculpture“ innerhalb der Ecole de Paris und erwähnt unter anderem die Bildhauer Jacques Delahaye, Etienne-Martin und César. 59 In Italien sind neben Leoncillo auch Agenore Fabbri, Umberto Milani, Arnaldo und Gio Pomodoro sowie Francesco Somaini zu nennen, in Spanien Eduardo Chillida, in England der schon genannte Kenneth Armitage, Anthony Caro, Lynn Chadwick und Eduardo Paolozzi, in den Niederlanden Wessel Couzijn, in Belgien Roel D‘Haese, in Österreich Oswald Oberhuber und Andreas Urteil und in den USA Ibram Lassaw und David Smith. Diese überwiegend in den 1920er, teilweise noch in den 1910er Jahren geborene Bildhauergeneration, der auch der 1927 geborene Cimiotti angehört, hat mit ihren Werken der 1950er und 1960er Jahre unsere Sehgewohnheiten nachhaltig verändert, unser Verständnis von Plastik erweitert und damit die Grundlagen für die nachfolgenden Künstlergenerationen, für Pop-, Minimal-, Land- und Concept-Art geschaffen. Von seinem in den 1950er Jahren gefundenen Ansatz ausgehend entwickelt Emil Cimiotti seine Kunst bis heute konsequent weiter, dabei souverän die Polarität von Abstraktion und Gegenständlichkeit überwindend. Er setzt. wie Eduard Trier es formulierte, „Zeichen für das Leben“. 60 Und das sichert ihm bleibende Aktualität.
Anmerkungen: 1 Vgl. zu Thwaites: Christoph Zuschlag, „Vive la critique engagée! Kunstkritiker der Stunde Null: John Anthony Thwaites (1909—1981)“, in: Christoph Zuschlag/Hans Gercke/Annette Frese (Hgg.), Brennpunkt Informel. Quellen — Strömungen — Reaktionen, Ausst.kat. Heidelberg 1998/99, Köln 1998, S. 166-172. Beate Eickhoff, John Anthony Thwaites und die Kunstkritik der fünfziger Jahre, Weimar 2004.
2 John Anthony Thwaites, „Deutschland und die Kunst 1955-1966“, in: ders., Der doppelte Maßstab. Kunstkritik 1955-1966, hrsg. von Adam Seide, Frankfurt am Main 1967, S. 297-306, hier S. 306 (Egoist-Bibliothek, 1).
3 Thorsten Rodiek, „Sich in den Grund der Materie senken - Cimiottis Formenwelt“, in: Emil Cimiotti. Plastiken und Zeichnungen 1957 - 1991, Ausst.kat. Osnabrück/Recklinghausen, Osnabrück 1992, S. 17-32, hier S. 19.
4 Nur die in Abb. S. 7 Mitte reproduzierte Arbeit wurde bereits abgebildet und zwar in Abstrakte Kunst-Theorien und Tendenzen, einer Sonderausgabe der Zeitschrift Das Kunstwerk, die als Band 19/20 der Kunstwerk-Schriften erschien. Der Band ist nicht datiert, er muß jedoch, wie man aus redaktionellen Notizen am Schluß des Bandes schließen kann, Anfang 1951 erschienen sein. Die Abbildung findet sich im nicht paginierten Anhang „Die abstrakten Künstler“.
5 Eduard Trier, „Emil Cimiotti“, in: Junge Künstler 61/62. 5 Monographien deutscher Künstler der Gegenwart, hrsg. im Auftrage des „Kulturkreises im Bundesverband der Deutschen Industrie e. V." von Hermann Reusch u. a., bearb. von Gustav Stein und Eduard Trier, Köln 1961, S. 59-76, hier S. 59f. Trier beschreibt die Arbeit, eine Abbildung findet sich in seinem Text jedoch nicht.
6 Emil Cimiotti, „Aus Tagebuchnotizen“, in: Anita Beloubek-Hammer. Henri Laurens 1885-1954. Bronzen, Steine und Arbeiten auf Papier, Ausst.kat. Berlin 1991, S. 98f., hier S. 98.
7 Gespräch des Verfassers mit Emil Cimiotti, Wolfenbüttel, 26. November 2004.
8 Wie Anm. 69, S. 99
9 Ebd.
10 Wie Anm. 7.
11 Dieter Blume, „Zu Cimiottis künstlerischen Techniken“, in: Dieter Brusberg (Hg), Emil Cimiotti - Werkverzeichnis der Plastiken 1955 bis 1977, Hannover 1978, S. 12-16, hier S. 13 (Brusberg Dukumente, 10).
12 Vgl. Gerhard Birkhofer/Michael Klant, Praxis Kunst. Plastik, Hannover 1997, S. 6f. (Materialien für den Sekundärbereich I und II).
13 Vgl. Brusberg 1978 (wie Anm. 11), S. 28, Nrn. 1 und 2.
14 Eberhard Roters, Emil Cimiotti, Hannover 1989, S. 31 (Niedersächsische Künstler der Gegenwart, Neue Folge, 36).
15 Ebd, S. 17.
16 Hans Wille, Emil Cimiotti, Göttingen u.a. 1966, S. 14 (Niedersächsische Künstler der Gegenwart, 8). Willes Publikation wird in der Literatur häufig als erste Monographie über Cimiotti bezeichnet. Jedoch veröffentlichte Eduard Trier bereits 1961 einen monographischen Text über Cimiotti in der Reihe Junge Künstler(vgl. Anm. 5).
17 Vgl. zum folgenden auch den Abschnitt „Emil Cimiotti in der Kunst nach 1945“ am Schluß dieses Textes.
18 Emil Cimiotti, in: Dieter Blume/Dieter Brusberg (Hgg.), Emil Cimiotti - Ausgewählte Zeichnungen 1957 bis 1984, Berlin/Hannover 1984, S. 140 (Brusberg Dokumente, 13). Vgl. auch Emil Cimiotti, „Notizen zur informellen Plastik“, in: Christoph Brockhaus/Gottlieb Leinz, Europäische Plastik des Informel 1945-1965, Ausst.kat. Duisburg, Oberhausen 1995, S. 41-45.
19 Vgl. Christoph Zuschlag, „Undeutbar - und doch bedeutsam. Überlegungen zur informellen Malerei“, in: Zuschlag/Gercke/Frese 1998 (wie Anm. 1). S. 38-45. Vgl. zur Malerel und Graphik des lnformel auch jüngst: Donata Bretschneider (Hg.)/Christoph Zuschlag (Bearb.), Tendenzen der abstrakten Kunst nach 1945. Die Sammlung Kraft Bretschneider in der Stiftung Kunst und Recht - Tübingen, Heidelberg 2003. Dirk Luckow (Hg.), Augenkitzel. Barocke Meisterwerke und die Kunst des Informel, Ausst.kat. Kiel 2004.
20 Vgl. Eduard Trier, „Zur Plastik des lnformel“. in: Ulrich Schneider (Hg.), Festschrift für Gerhard Bott zum 60. Geburtstag, Darmstadt 1987, S. 283-294 Trier hatte den Begriff „informelle Plastik“ 1974 in einer Vorlesung zur Bildhauerei des 20. Jahrhunderts benutzt; vgl. ebd., S. 294, Anm. 1. Vgl. auch Manfred de la Motte, „Informelle Plastik?“, in: ders. (Hg.), Dokumente zum deutschen Informel, Bonn 1976, S. 232. Dieter Honisch, „Informelle Skulptur“, in: 1945-1985. Kunst in der Bundesrepublik Deutschland, Ausst.kat. Berlin 1985/86, Berlin 1985, S. 132-137. Gerhard Finck, „ZEN 49 und die Plastik des Informell“, in: Jochen Poetter (Hg), ZEN 49. Die ersten zehn Jahre - Orientierungen, Ausst.kat. Baden-Baden 1986/87, Stuttgart - Bad Cannstatt 1986. S. 89-107. Rolf Wedewer, Anmerkungen zur Plastik des Informell“, in: Cimiotti 1992 (wie Anm. 3). S. 9-16. Katja Blomberg, „Zur Plastik des Informel in Deutschland“, in: Marburger Jahrbuch für Kunstwissenschaft 23, 1993, S. 43-54. Brockhaus/Leinz 1995 (wie Anm. 18). Martin Damus, „Inforrnelle Plastik“, in: ders., Kunst in der BRD 1945-1990. Funktionen der Kunst in einer demokratisch verfaßten Gesellschaft, Reinbek bei Hamburg 1995, S.161-166. Christmut Präger, „Action Sculpture? Bemerkungen zu einem Abenteuer“, in: Zuschlag/Gercke/Frese 1998 (wie Anm.1), S. 136-141. Plastiken des deutschen Informel, Ausst.kat. Galerie Rothe, Frankfurt am Main 1999 (mit einem Beitrag von Peter Anselm Riedl). Heinz Althöfer, Informel. Die Plastik - Gestus und Raum, Dortmund 2003 (Schriftenreihe des Museums am Ostwall, 3).
21 Wille 1966 (wie Anm. 16), S. 21.
22 Emil Cimiotti, „Nicht ganz untypische Gedanken“, in: Blätter und Bilder, Heft 8, Mai-Juni 1960, S. 34. Vgl. Eduard Trier, Bildhauertheorien im 20. Jahrhundert. Neuausgabe, völlig neu bearbeitete, verbesserte und erweiterte 5. Auflage, Berlin 1999, S. 58.
23 Emil Cimiotti. in: Blume/Brusberg 1984 (wie Anm. 18), S. 126.
24 Emil Cimiotti, „Meine Skizzen“, in: Blume/Brusberg 1984 (wie Anm. 18), S. 16. Vgl. die vollständige Wiedergabe dieses Textes auf S. 285 in diesem Band.
25 Emil Cimiotti, „Meine Zeichnungen“, in: Blume/Brusberg 1984 (wie Anm. 18), S. 17.
26 „Lavieren“ kommt aus dem Französischen und bedeutet wörtlich „verwaschen“. Bei dieser besonders bei Federzeichnungen angewandten Technik wird die aufgetragene Farbe mit Wasser verdünnt und verrieben, um die Konturen zu verwischen und eine flächige Wirkung zu erzielen.
27 Wille 1966 (wie Anm. 16), S. 27f.
28 Wie Anm. 24.
29 Emil Cimiotti, in: Blume/Brusberg 1984 (wie Anm. 18), S. 32.
30 Emil Cimiotti im Ausst.kat. der Galerie Lutz & Meyer, Stuttgart 1963, hier zitiert nach Wille 1966 (wie Anm. 16), S. 26f.
31 Siegfried Salzmann, „Zu den Zeichnungen von Cimiotti“, in: Blume/ Brusberg 1984 (wie Anm. 18), S. 5-10, hier S. 7.
32 Christa Lichtenstern, Ossip Zadkine (1890-1967). Der Bildhauer und seine Ikonographie, Berlin 1980, S. 182 (Frankfurter Forschungen zur Kunst, 8).
33 Albert Schulze Vellinghausen, „Cimiottis Bronzen“, in: Blätter und Bilder, Heft 8, Mai-Juni 1960, S. 37.
34 Willi Baumeister, Das Unbekannte in der Kunst, Stuttgart 1947, S. 175. Vgl. zur Wirkungsgeschichte von Goethes Metamorphosenlehre: Christa Lichtenstern, Metamorphose in der Kunst des 19. und 20. Jahrhunderts, Bd. 2: Metamorphose. Vom Mythos zum Prozeßdenken. Ovid-Rezeption - Surrealistische Ästhetik - Verwandlungsthematik der Nachkrlegskunst, Weinheim 1992.
35 Roters 1989 (wie Anm. 14), S. 47.
36 Ebd., S. 48.
37 Emil Cimiotti, in: Blume/Brusberg 1984 (wie Anm. 18), S. 54.
38 Ebd., S. 114.
39 Roters 1989 (wie Anm. 14), S. 52.
40 Emil Cimiotti, in: Blume/Brusberg 1984 (wie Anm. 18), S. 76.
41 Ebd., S. 66.
42 Ebd., S. 80.
43 Ebd., S. 96.
44 Roters 1989 (wie Anm. 14), S. 56.
45 Emil Cimiotti, Notizen (1977), in: Brusberg 1978 (wie Anm. 11), S. 18-24, hier S. 24.
46 Emil Cimiotti, „Meine Werkskizzen“, in: Emil Cimiotti - Plastiken und Zeichnungen, Ausst.kat. Wolfenbüttel/Kornwestheim, Hannover 1996, S. 14. Dabei handelt es sich um einen leicht veränderten und um einen Absatz ergänzten Wiederabdruck des Textes „Meine Skizzen“, der erstmals in Blume/ Brusberg 1984 (wie Anm. 18), S. 16, publiziert wurde.
47 Emil Cimiotti, „Meine Zeichnungen“, in: Blume/Brusberg 1984 (wie Anm. 18), S. 17.
48 Emil Cimiotti, in: Blume/Brusberg 1984 (wie Anm. 18), S. 50.
49 Rodiek 1992 (wie Anm. 3), S. 30. Cimiotti gebraucht in der Plastik sowohl Ölfarben als auch Lacke und Tempera.
50 Angela Ziesche, „Emil Cimiotti. Die Wandlungsfähigkeit der Substanz", in: Künstler. Kritisches Lexikon der Gegenwartskunst, Ausgabe 17, München 1992, S. 114
51 Cimiotti 1995 (wie Anm. 18), S. 41.
52 Emil Cimiotti, in: Blume/Brusberg 1984 (wie Anm. 18), S. 46.
53 Vgl. Hans Gerhard Evers (Hg.), Das Menschenbild in unserer Zeit, Darmstadt [1950] (Darmstädter Gespräch, 1). Die Literatur zur Kontroverse um die Abstraktion in den 50er Jahren ist mittlerweile sehr umfangreich. Vgl. etwa Karl-Ludwig Hofmann, „Als ob es so etwas wie eine Kunst gäbe! Anmerkungen zur Kontroverse um die abstrakte Kunst in den 50er Jahren“, in: Zuschlag/Gercke/Frese 1998 (wie Anm. 1).S. 158-165.
54 Markus Krause, Karl Hartung 1908-1967. Metamorphosen von Mensch und Natur. Monografie und Werkverzeichnis, München 1998, S. 83. Vgl. zum „Berliner Dreigestirn“ auch Katharina Schneider. „Die drei Berliner Bildhauer Uhlmann, Hartung und Heiliger. Zur Entwicklung der abstrakten deutschen Plastik zwischen 1945 und 1950“, in: Schneider 1987 (wie Anm. 20), S. 295-304. Vgl. Zur Plastik in der westdeutschen Kunst um 1950: Uwe Rüth, “Die Skulptur in der deutschen Kunst um 1950“, in: Aufbruch `51. Versuch einer Rekonstruktion, Ausst.kat. Herne/Witten/Marl 1989, S. 15-19.
55 Honisch 1985 (wie Anm. 20), S. 136.
56 Schulze Vellinghausen 1960 (wie Anm. 33).
57 Rodiek 1992 (wie Anm. 3), S. 25. Vgl. auch Juliane Roh. „Zum Mengenproblem der modernen Plastik“, in: Quadrum 7. 1959, S. 53-62.
58 Ursula Katharina Schneider, Zwischen Figuration und Abstraktion. Tendenzen deutscher Plastik der Nachkriegszeit, Diss. masch., Heidelberg 1991. S. 91.
59 Vgl, Roger van Gindertael, „Situations actuelles de la sculpture dans le cadre de l'Ecole de Paris“, in: Quadrum 12, 1961, S. 21-44. Vgl. zu den hier und im folgenden genannten Künstlern die beiden Künstlerlexika: Michel Seuphor, Die Plastik unseres Jahrhunderts. Wörterbuch der modernen Plastik, Köln 1959 (französische Originalausgabe: Neuchatel 1959). Lexikon der modernen Plastik. Vorwort von Werner Schmalenbach, München/Zürich 1961 (französische Originalausgabe: Paris 1960). lm erstgenannten Werk ist Cimiotti auf S. 251 aufgeführt, im zweitgenannten auf S. 67f. (mit Abb.). Vgl. zur Ecole de Paris zuletzt Christoph Zuschlag, „Hans Reichel und die Ecole de Paris“, in: Wolfgang Büche (Red.), Ordnung und Chaos. Hans Reichel im Kraftfeld von Bauhaus und Ecole de Paris, Auss.kat. Halle an der Saale/Würzburg 2005. S. 119-122.
60 Eduard Trier, „Entwurf einer Monographie Emil Cimiotti”, in: Brusberg 1978 (wie Anm. 11), S. 6-11, hier S. 10.
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